Ausufernder
Niedriglohnsektor schadet dem Standort Deutschland
Am 6. April
2005 führt die PDS-Fraktion eine Konferenz zum Thema Sind
Tarifverträge Relikte der Vergangenheit? durch.
Es geht vor
allem um die Frage, welche Konsequenzen ein sich entwickelnder
Niedriglohnsektor für Sachsen-Anhalt hat. Wir wollen der
Frage nachgehen, ob durch geringe Bezahlung und weiteren Sozialabbau
die wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen-Anhalt vorangebracht
werden kann.
Deutschland hat vor allem ein Binnenkonjunkturproblem, sie wird
sogar als Achillesferse der deutschen Wirtschaft bezeichnet.
Bereits seit
den 70er Jahren entwickelt sich der Niedriglohnsektor in Deutschland.
In den alten Bundesländern waren geringe Einkommen vorrangig
als Zuverdienst für Hausfrauen gedacht. Seit Mitte der 90er
Jahre wird Lohnverzicht zur Sicherung von Arbeitsplätzen
und der Abbau von Arbeitnehmerrechten als Alternative für
eine bessere Wirtschaftsentwicklung gepredigt. Durch die Hartz
- Gesetze und die damit im Zusammenhang stehenden Zumutbarkeitsregeln
wird eine neue Lohndumpingspirale nach unten ausgelöst, 1-
€ Jobber werden zu Konkurrenten für Beschäftigte
auf dem ersten Arbeitsmarkt.
Die Sorge von Lohndumping infolge der EU-Osterweiterung ist bereits
Realität geworden.
Einige Fakten:
Für 39
% der Bevölkerung Sachsen-Anhalts war in den letzten 7 Jahren
die Erwerbstätigkeit ihre Haupteinnahmequelle. Vor 10 Jahren
waren es noch 42% der Bevölkerung.
Für 11 % waren Arbeitslosengeld oder hilfe die Haupteinkommensquelle.
1994 waren das 8% der Bevölkerung.
In den meisten Ländern gilt als arm, wer über weniger
als 50 % des durchschnittlichen Nettoeinkommens verfügt,
in Deutschland ist das derzeit jeder/jede Zehnte. Das durchschnittliche
Nettoeinkommen in Deutschland liegt bei 19.250,-€ pro Jahr.
Das Existenzminimum für Alleinstehende beträgt 7.365
€, für Ehepaare 12.240 €, bei Kindern sind es 3.648
€ pro Jahr.
Die Kaufkraft beträgt bundesweit pro Kopf 16.926 €,
in Sachsen-Anhalt 12.892 € (= 76,2 %), damit haben wir den
vorletzten Platz vor Mecklenburg Vorpommern.
Die PDS tritt für einen gesetzlich geregelten Mindestlohn
ein. Der Mindestlohn wird zunehmend zu einer sozialen Frage.
Notwendig ist vor allem die Steigerung der Binnenkaufkraft, die
Einkommen müssen gesteigert werden. Niedriglöhne, Armutslöhne
und 1- € - Jobs schaden der Binnenkonjunktur und der einheimischen
Wirtschaft.
Gegen eine
weiter Spirale nach unten hilft nur ein gesetzlichen Mindestlohn.
Kein Arbeitsloser soll gezwungen werden, zu einem Stundenlohn
zu arbeiten, der ihm bei einer Vollzeitstelle weniger einbringt
als das ALG II. Die Einführung eines Mindestlohnes verhindert
außerdem, dass sich Unternehmen Niedriglöhne unter
dem Existenzminimum aus den Sozialkassen subventionieren lassen.
Hochindustrialisierte Länder wie Frankreich, Großbritannien
oder die USA haben längst einen Mindestlohn definiert, den
die Arbeitgeber nicht unterschreiten dürfen.
Auch wirtschaftspolitisch
ist die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes ein Gebot
der Vernunft. Er stärkt die Kaufkraft der Beschäftigten
und stabilisiert die Nachfrage. Die chronische Konsumzurückhaltung
ist eine wichtige Ursache für die anhaltende Krise wichtiger
Branchen. (Einzelhandel, Baubranche, Automobilindustrie bis hin
zur Finanzlage der Kommunen durch Steuerausfälle u.a.).
Die Sorge
einiger Gewerkschaften in Deutschland, durch die Einführung
des Mindestlohnes tarifpolitisch zu verlieren, nehmen wir sehr
ernst. Dennoch beachten wir, dass bisher die Tarifregelungen immer
Mindeststandards gewesen sind. Bei einem gesetzlichen Mindestlohn
haben die Gewerkschaften nach wie vor alle bisherigen Möglichkeiten,
Tarifvereinbarungen darüber hinaus zu vereinbaren.
Aus Sicht
der PDS haben Tarifverträge auch für Deutschland nicht
an Bedeutung verloren. Sie setzen mit Hilfe betrieblicher Demokratie
die Marktbeziehungen zwischen den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern
um. Sicher haben Tarifverträge den modernen wirtschaftlichen
Herausforderungen Rechnung zu tragen, dennoch ist es ihre Aufgabe,
abhängig Beschäftigte vor Willkür im Arbeitsverhältnis
zu schützen. Besonders Flächentarifverträge bieten
den Arbeitgebern einheitliche Wettbewerbsbedingungen durch gleiche
Arbeitskosten in einer Region.
Die PDS bleibt
dabei ein ausufernder Niedriglohnsektor nützt niemandem,
er schadet aber dem Standort Deutschland. Nachhaltige Entwicklungen
werden durch Innovation, durch wissensbasierte Produktion befördert,
nicht durch galoppierenden Sozialabbau.
Magdeburg, 30. März 2005
Edeltraud
Rogée
gewerkschaftspol. Sprecherin
Dr. Frank
Thiel
wirtschaftspol. Sprecher
Nähere
Informationen zur Konferenz unter http://www.pdslsa-lt.de/HTML/konferenz-niedriglohn-home.pdf
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