Föderalismusreform kann zu einem Desaster für die Umwelt
werden - Auch die Länder haben langfristig den Schaden
Am 6. März 2006 treffen sich die Ministerpräsidenten
der Länder, um über die Föderalismusreform zu beraten.
Ohne Zweifel: Der Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland
ist reformbedürftig! Die großen Umweltverbände
haben entsprechenden Absichtserklärungen der Politik daher
immer zugestimmt. Aus Umweltsicht geht es dabei in erster Linie
um die Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage für
eine effektive Umwelt- und Naturschutzpolitik. Die Einführung
eines Umweltgesetzbuches war genau daran in der Vergangenheit gescheitert.
Die die Sicherung der Europa- und Völkerrechtstauglichkeit
des Umweltrechts ist ein weiteres umweltpolitisches Anliegen. Nach
dem Koalitionsvertrag sind die Ziele der Reform die Entflechtung
von Kompetenzen, die Festlegung klarerer Verantwortlichkeiten,
die Stärkung der Subsidiarität, die Erhöhung der
Handlungs- und Reaktionsfähigkeit des Bundes und die Gewinnung
von mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die Länder.
Dazu kommen übergeordnete Ziele wie Verbesserung der Rechtssicherheit
und die Vermeidung überflüssiger Bürokratie.
Nach dem jetzigen Entwurf droht die Reform gemessen
an diesen Zielen grandios zu scheitern. Von substantiellen Verbesserungen
im Sinne des Umwelt- und Naturschutzes kann schon überhaupt
keine Rede sein. Die Umweltverbände lehnen den Reformvorschlag
daher geschlossen ab. Das Einvernehmen darüber, das diese
Reform „vollkommen unsinnig“ (Meierhofer, MdB-FDP)
ist, reicht dabei quer durch alle Parteien und inzwischen sogar
bis weit in die Wirtschaft hinein. Bundeswirtschaftsminister Glos
warnt etwa vor der „enormen Rechtsunsicherheit“ die
geschaffen würde. Sigmar Gabriel ist selbstverständlich
auch dagegen. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen
hat in überzeugender Weise die Gegenargumente wissenschaftlich
untermauert. Selten also war eine Ablehnungsfront breiter.
Drei Punkte sind es, die im Wesentlichen zu diesem
Urteil führen:
1. Die Reform führt nicht zu einem eigenständigen Kompetenztitel „Recht
des Umweltschutzes“. Dies wäre dringend notwendig, um
eine einheitliche Grundlage für eine effektive Umweltgesetzgebung
zu schaffen, die insbesondere auch den europa- und völkerrechtlichen
Anforderungen genügen kann. Stattdessen wird ein unklarer
und unsystematischer Kompetenzwirrwarr geschaffen.
2. In wesentlichen Bereichen in denen der Bund nach dem Reformvorschlag
Kompetenzen hat, sind diese an eine sog. „Erforderlichkeitsklausel“ gebunden.
Nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes bedeutet
dies, dass der Bund nur dann tätig werden darf, wenn es gilt,
eine mehr oder weniger schwere (Staats-)krise abzuwehren. Da naturgemäß umstritten
sein dürfte, wann das der Fall ist, sind diesbezügliche
Konflikte und Rechtsstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern
vorhersehbar.
3. Schließlich gibt es dort wo der Bund dann mal regeln darf
in vielen Fällen sog. „Abweichungsrechte“ der
Länder. Dies bedeutet, dass die Länder von der Bundesregelung
abweichende Gesetze erlassen können, wenn sie dies für
angebracht halten. Der bisher konstitutive Verfassungsgrundsatz „Bundesrecht
bricht Landesrecht“ wird damit faktisch außer Kraft
gesetzt. Konkret besteht hier die Gefahr, dass die Länder
durch möglichst „weiche“ Regelungen Standortpolitik
für Industrieansiedlungen betreiben werden. Dies könnte
dann zu einem Länderwettbewerb um die – aus Umweltsicht – schlechtesten
Gesetze führen. Dass dies keine böswillige Unterstellung
ist, sondern bittere Realität zeigen die massiven Eingriffe
der letzten Jahre im Bereich der Umweltverwaltungen der Länder,
die schon heute einen ordnungsgemäßen Vollzug von Gesetzen
in Frage stellen.
Trotz der offensichtlichen Defizite und der zu
erwartenden völligen
Zielverfehlung besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass trotz
aller Einwände diese „Reform“ Gesetz wird. Das
klingt absurd, ist aber so.
Als Ursache steht die Befürchtung der Reform-Initiatoren
im Vordergrund, dass das Gesamtpaket „Föderalismusreform“ gefährdet
würde, wenn ein Teil davon (Umwelt) herausgenommen und neu
verhandelt würde. Das muss aus deren Sicht um jeden Preis
verhindert werden. Zudem haben zwei „Großpolitiker“,
nämlich Franz Müntefering und Edmund Stoiber, ihren Namen
mit dieser Reform verbunden auch dies scheint ein hinreichender
Grund, sie in jedem Fall durchzuziehen. Fragt man weiter nach dem „Qui
bono“ sind es die die Länder, die auf den ersten Blick – und
weiter scheinen sie leider nicht schauen zu können – profitieren.
Beim zweiten Blick wird unmittelbar deutlich, dass die Schwächung
des Gesamtsystems auch zu Lasten der Länder geht. Offensichtlich
schätzt selbst die Wirtschaft das inzwischen auch so ein:
die möglichen Vorteile eines „Ökodumping“ wiegen
weniger schwer als die Nachteile einer verschärften „Kleinstaaterei“.
Ein ausländischer Investor wählt nicht zwischen NRW und
Niedersachsen, sondern zwischen Deutschland und Frankreich. Er
hat keinerlei Interesse sich mit 16 verschiedenen Rechtslagen zu
amüsieren. Dann geht er lieber nach Frankreich.
Eine große Chance, endlich klare Kompetenzen im Interesse
eines effektiven Umwelt- und Naturschutzes zu schaffen, droht ungenutzt
zu verstreichen bzw. in ihr Gegenteil verkehrt zu werden. Die Umweltbewegung
wird alles versuchen, diese Chance trotzdem noch zu nutzen. Der
Schlüssel liegt dabei bei den Ländern.
Der Ministerpräsident Prof. Böhmer ist aufgefordert,
einer „Reform“, die den Ländern nur scheinbar
Vorteile bringt, auf lange Sicht aber die Umwelt und die Wirtschaft
in Sachsen-Anhalt und Deutschland schädigt, seine Zustimmung
zu verweigern.
Magdeburg, 17. Februar 2006
Prof. Dr. Volker Lüderitz
Kompetenzteam der Linkspartei.PDS
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