Beschluss
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Reformen
müssen Sachsen-Anhalt nutzen
Bürgerschaftliche
Rechte stärken
Für eine tiefgreifende Funktional- Verwaltungs- und kommunale
Strukturreform
Beschluss
der 1. Tagung des 9. Landesparteitages der PDS Sachsen-Anhalt
am
18. und 19. Juni 2005 in Wittenberg
Der PDS-Landesverband
spricht sich für die Weiterführung der Funktional-,
Verwaltungs- und kommunalen Strukturreform im Land Sachsen-Anhalt
aus, um einen zukunftsfähigen Landesaufbau zu erreichen.
Dies ist unter den gegenwärtig eingeleiteten Reformansätzen
nicht gewährleistet. Es ist auch und gerade auf den politisch
agierenden Ebenen von Land und Kommunen notwendig, sich der Defizite
bestehender Strukturen und Arbeitsweisen gegenüber den sich
rasant entwickelnden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und
der sich daraus ergebenden Anfor-derungen an staatliches und kommunales
Agieren bewusst zu werden.
Stagnation,
Bewahrungsmentalität, die Politik der halbherzigen Schritte
auf dem Gebiet der Funktional-, Verwaltungs- und kommunalen Strukturebene
müssen über-wunden werden. Für die PDS Sachsen-Anhalt
bedeutet ein neuer innovativer Ansatz erstens einen Demokratieschub
hin zur Zivilgesellschaft durchzusetzen, zweitens die Entwicklung
eines zweistufigen Verwaltungsaufbaus durch umfassende Kommu-nalisierung
staatlicher Aufgaben zu bewirken und die zu kleinteiligen Länder-strukturen
schrittweise zu überwinden sowie drittens bürgernahe
Entscheidungs-strukturen im kommunalen Bereich herauszubilden.
Das Konzept
der PDS
1. Demokratieentwicklung
hin zur Zivilgesellschaft
· Bürgerkommunen
jetzt
Für die
PDS ist die Stärkung der Zivilgesellschaft ein strategisches
Ziel. Eine wesentliche Aufgabe zur Umsetzung dieses Zieles ist
die Herausbildung von Bürgerkommunen. Hier liegen die größten
Potenziale für bürgerschaftliches Enga-gement und Selbstentscheidung,
für ein aktives Mitentscheiden und Selbstorgani-sation. Um
diese Potenziale zu entfalten, bedarf es einer neuen Kultur der
Kommu-nalpolitik. Die PDS Sachsen-Anhalt hält es für
erforderlich, unverzüglich die Reformdiskussionen und -aktivitäten
flächendeckend mit dem Ringen um eine kommunale Politikreform
zu verbinden. Die günstigen Voraussetzungen, die Funktional-
und Strukturreformen dafür bieten, sollten konsequent genutzt
werden. Bei einem weiter so bergen sie die Gefahr
in sich, dass sich das Kräftedreieck Bürger - Verwaltung
- KommunalpolitikerInnen weiter zu Ungunsten von Bürger-beteiligung
und des kommunalen Ehrenamtes in Richtung Verwaltung verschiebt.
In den vergangenen Jahren haben sich die Rahmenbedingungen und
Voraussetzungen für die Kommunalpolitik stark verändert.
Der beschleunigte Aufgabenwandel, neue Informations- und Kommunikationsmittel,
die Reformansätze der kommunalen Verwaltung aber auch die
Einengung finanzieller Spielräume und eine Politikver-drossenheit
der Bürgerinnen und Bürger sind einige dieser Indikatoren.
Dem gegenüber stehen größtenteils über Jahre
eingefahrene Arbeitsweisen der ehrenamtlichen KommunalpolitikerInnen.
Dies betrifft u.a. den Umgang mit den Einwohnerinnen und Einwohnern,
die Form des Wissenserwerbs, die Art und Weise der politischen
Meinungsbildungsprozesse und die Kommunikation mit der Verwal-tung.
Effizienz und Demokratiegewinn sieht die PDS vor allem in der
Stärkung direkter Demokratieentfaltung (Bürgerentscheide,
Bürgerhaushalte, Bürgerinitiativen und Einwohneranträge)
in einer auf strategische Arbeit ausgerichteten politischen Aktivität
der gewählten kommunalen MandatsträgerInnen sowie einer
weiteren Kommunalisierung staatlicher Aufgaben. Aktiv wird die
PDS Wege und Formen entwickeln und umsetzen, die der anwachsenden
Ausgrenzung sozialer Gruppen entgegensteuern.
· Die
kommunale Selbstverwaltung neu denken
Bisherige
Gebietsreformen wurden vorrangig nach politischer Kräftekonstellation
entschieden. Die PDS spricht sich für transparente, objektive
Kriterien einer solchen Reform aus. Insbesondere legt die PDS
auf eine Balance zwischen Effizienz- und Demokratieaspekten innerhalb
der Reformprozesse Wert. Im Zentrum der Überle-gungen stehen
für die PDS die umfassende Kommunalisierung vormals staatlicher
Aufgaben und die Ausweitung des Subsidiaritätsprinzips, das
über den kommunalen Bereich hinaus auf die Einwohnerinnen
und Einwohner ausgeweitet wird. Für den Reformansatz der
PDS gilt es, die Bürgerschaft nicht nur als Adressat und
Empfänger von Verwaltungsleistungen, sondern in einer Rechte-
und Pflichten-stellung innerhalb kommunaler Selbstverwaltung zu
sehen.
Dies setzt
unter anderem voraus, die klassische Aufgabenteilung wie freiwillige
und pflichtige und ihren Bezug zum eigenen und übertragenen
Wirkungskreis kritisch zu hinterfragen. Ergänzt werden müssen
sie durch Selbsthilfeaufgaben bzw. durch Aufgaben
des bürgerschaftlichen Engagements. Es sind jene Aufgaben,
die verstärkt durch Bürgerinnen und Bürger mitbestimmt
und umgesetzt werden. Solche bürgerschaftlichen Aktivitäten
sind die bereits praktizierten Arbeitsgemeinschaften für
Gemeinwesenarbeit, für integrierte Stadtentwicklung, Stadtteil-
und Ortsbeiräte zur Vernetzung der "Hilfe zur Selbsthilfe"
zwischen IG Handwerk und Gewerbe-treibende, Bürgerinitiativen
sowie sozialen und sozio-kulturellen Vereinen und Verbänden,
Kinder- und Jugendparlamente, Runde Tische zur Migration usw.
usf..
Das bedeutet
kein Selbstverzicht beispielsweise auf kommunale Daseinsvorsorge,
sondern Bereicherung durch bürgerschaftliches Engagement.
Diese eigenständige Position von Einwohnerinnen und Einwohnern
erfordert ein vielfältiges Umdenken. Dies betrifft u.a. neue
Organisationsformen innerhalb der Verwaltung, andere Schwerpunkte
in den Haushaltsansätzen aber auch die Verankerung dieser
neuen Position des Bürgers in der Kommunalverfassung und
ihrer Einflussnahme auf kommunale Satzungen.
· Das
kommunale Ehrenamt stärken
Das kommunales
Ehrenamt wurde in den letzten Jahren innerhalb der Reform-debatten
zu Unrecht vernachlässigt. Die PDS sieht in der Qualifizierung
des kommunalen Ehrenamtes einen Schwerpunkt der Reformen auf kommunaler
Ebene. Die kommunalen MandatsträgerInnen müssen selbst
die Impulse setzen, einge-fahrene Gleise zu verlassen. Sie müssen
die politischen Impulse setzen, die Verwal-tung auf eine qualifizierte
Dienstleistungs- und Managementverwaltung für Bürger-beteiligung
auszurichten. Ihnen obliegt es, die kommunalpolitischen Rahmen-bedingungen
für bürgerschaftliches Engagement zu bestimmen und sich
energischer um den Erhalt und die Wiedergewinnung von kommunalen
Entscheidungsspiel-räumen einzusetzen.
Bei der Umsetzung
tiefgreifender Struktur- und Funktionalreformen dürfen deshalb
nicht die Lösungswege von gestern und heute zum Maßstab
der Arbeit von morgen gewählt werden. Insbesondere auf der
Kreisebene müssen die Rahmenbedingungen für das kommunale
Ehrenamt professionalisiert werden. So ist ein angemessener Dienstleistungssektor
für das Ehrenamt zu gewährleisten. (z.B. Geschäftsstellen,
Zugriffmöglichkeiten auf Literatur und Gesetzgebung, Konsultationsmöglichkeiten
von Verwaltungsfachkräften, z.B. der Kommunalaufsicht und
des Rechtsamtes, angemessene Aufwandsentschädigungen.) Es
gilt, neue Formen eines dezentralen Wissenserwerbs und der Informationstätigkeit
zu erproben und anzuwenden und bisher praktizierte aufwendige
Wege oder aber auch völlig unzureichende Formen der Entscheidungsfindung
aufzubrechen. Auf Landesebene muss das Kommunal-recht zur Stärkung
des Ehrenamtes beispielsweise hinsichtlich der Informations-,
Kontroll- und Entscheidungsrechte kommunaler Mandatsträger
weiter qualifiziert werden. Das kommunale Ehrenamt ist in erster
Linie so stark, wie es den kommunalen MandatsträgerInnen
gelingt, sich selbst zu hinterfragen und neue Lösungsansätze
zu finden. Ohne kommunale Politikreform keine Bürgerkommune.
· Die
kommunale Verwaltung neu ausrichten
Bei den kommunalen
Verwaltungen geht es nicht nur um die zu erschließenden
Möglichkeiten eines effizienten Personaleinsatzes und auch
mittelfristiger Personal-reduzierung, die durch die derzeitige
Altersstruktur im öffentlichen Dienst unter Ausschluss von
betriebsbedingten Kündigungen und der Gewährleistung
von Einstellungskorridoren erfolgen kann. Durch die Eingliederung
von Sonderbehörden wird zudem ein beachtlicher Teil des Personals
vom Land in die Kommunen wechseln. Die PDS setzt sich dafür
ein, ein modernes einheitliches Dienstrecht, u.a. mit leistungsorientierten
Bezahlungselementen und einer Flexibilisierung der Arbeitszeit
zu gewährleisten.
Im Rahmen
der Verwaltungsreform sind die Hierarchien in der Aufbau- und
Ablauf-organisation deutlich zu verflachen, Entbürokratisierung
und Aufgabenkritik sind stärker auf die aktuellen Erfordernisse
auszurichten und die Mitwirkung der Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter
der Verwaltung bei den Entscheidungsprozessen früh-zeitig
zu garantieren.
Die PDS vertritt
die Auffassung, dass Neugliederungen von Gebiets- und damit auch
Verwaltungsstrukturen stets die Chance in sich bergen, Verwaltungen
zu moderni-sieren. Die PDS hat sich für eine umfassende Innovation
in der Gesellschaft ausge-sprochen. Insofern kann die PDS nicht
bei der Frage stehen bleiben, ob die Verwaltung, so wie sie jetzt
beschaffen ist, große Landkreise effizient und bürgernah
verwalten kann. Es muss vielmehr gefragt werden, welche eigenen
Reserven zu erschließen sind, um den aktuellen Anforderungen
an eine moderne Verwaltung zu entsprechen. Neue Formen der Kommunikations-
und Informationstechnik zwischen den Verwaltungseinheiten, zwischen
Verwaltung und Politik und mit den BürgerInnen sind konsequent
zu nutzen. Darüber hinaus ist die Verwaltung aus einer
Hand zu garantieren. Dazu müssen die Landkreiskreisverwaltungen
und die Verwaltungen der gemeindlichen Ebene dem Bürger ortsnah
alle Dienstleistungen anbieten. Dies bedarf einer neuen Form flächendeckender
Kooperation zwischen gemeindlicher und kreislicher Verwaltung.
Auf der örtlichen Verwaltungsebene müssen Bürgerinnen
und Bürger alle Anliegen erledigen können, sei es über
mobile Verwaltungsbehörden oder über gemeinsame Bürgerverwaltungen
von Kreis und Gemeinde.
2. Den Verwaltungsaufbau
des Landes umfassend modernisieren
· Die
Zweistufigkeit durch Kommunalisierung herbeiführen
Die PDS strebt
an, den zweistufigen Landesaufbau der Verwaltung (Ministerium
und Kommunen) so bald als möglich und so konsequent wie möglich
zu realisieren. Den größten Effizienz- und Demokratiegewinn
erreicht man, wenn dies in Verbindung einer tiefgreifenden Kreisgebietsreform
realisiert wird. Große Gebietszuschnitte gewährleisten,
dass kommunalisierbare Aufgaben aus dem Landesverwaltungsamt in
die Kreise verlagert werden können. Insbesondere betrifft
das die Aufgaben der staatlichen Schulaufsicht und des schulpsychologischen
Dienstes bis hin zur Übernahme des Personals, sofern alle
tarifrechtlichen und sonstigen Rahmen-bedingungen dies ermöglichen.
Kommunalisiert werden sollen die Aufgaben der Sozialagentur. Gleichzeitig
wird dadurch ermöglicht, dass sich das Land/der Staat aus
der Fläche zurückziehen kann ohne Sonderbehörden
weiter durch Zentralisation zu reduzieren. Teile der EU-Fördermittel
insbesondere im Bereich ländlicher Raum sind mit Beginn der
neuen Förderperiode kommunalisierbar, ebenso die Forst- und
Landwirtschaftsverwaltung, weitere Aufgaben des Umweltbereiches
sowie Aufgaben-komplexe des Arbeitsschutzes und der Gewerbeaufsicht.
Die dazu notwendige Harmonisierung der Stellenpläne und Eingruppierungen
der Bediensteten ist sicherzustellen. Die Regionalkreise sind
dann auch in der Lage, die Aufgaben der Regionalplanung eigenständig
zu leisten. Die Kommunalisierung der Aufgaben sollte zeitversetzt
erfolgen, sobald die Regionalkreise arbeitsfähig sind.
Die ministerielle
Ebene straffen
Effizienzsteigerungen
sind auch durch eine Reduzierung der Ministerien zu erreichen.
Das Land Sachsen-Anhalt kann mit Beginn der fünften Legislaturperiode
seine Ministerien auf sieben reduzieren. Nach Auffassung der PDS
sind ein Staats-, Innen-, Finanz-, Wirtschafts-, Sozial-, Umwelt-
und Kultusministerium zu bilden. Dies entspricht dem Entwicklungstrend
hin zur politisch konzentrierten Wahrnehmung der immer komplexer
werdenden politischen Entscheidungsprozesse.
· Für
ein starkes Sachsen-Anhalt mittelfristig Länderfusion anstreben
Die PDS spricht
sich dafür aus, dass das Land Sachsen-Anhalt selbstbewusst
innerhalb des nächsten Jahrzehnts eine Länderfusion
anstrebt. Die gescheiterte Föderalismusdebatte macht deutlich,
dass das föderale System in seiner gegenwärtigen Verfasstheit
nicht in der Lage ist, eine Reform der bundesstaatlichen Ordnung
von oben zum Erfolg zu führen. Im Kompetenzgerangel bleibt
die kommunale Ebene als immer wichtiger werdende Strukturebene
außen vor. Der Föderalismus in seinen kleinteiligen
Strukturen, mit starren Länderinteressen, die teilweise Regionalinteressen
ausbremsen, behindern die europäische Entwicklung. Teilweise
laufen die Länderinteressen den Interessen von Bürgerinnen
und Bürgern zuwider und schaffen zusätzlich bürokratische
Hürden. Deutlich wird das besonders im Bildungsbereich und
in der Wirtschaftförderung. Kleine Länder werden innerhalb
der weltweiten Zusammenarbeit immer weniger als Wirtschaftspartner
gefragt oder gegenseitig in ein kostspieliges Konkurrenzverhalten
getrieben. Die PDS spricht sich ausdrücklich dafür aus,
dass das Land Sachsen-Anhalt auf der Basis eines kooperativen
Föderalismus seine Arbeits- und Vertragsbeziehungen zu anderen
Bundesländern vertieft.
Das Land Sachsen-Anhalt
strebt selbstbewusst eine Fusion mit den Ländern Sachsen
und Thüringen an. Dazu ist die Initiative Mitteldeutschland
neu zu denken und zu beleben. Das heißt insbesondere, dass
die Zusammenarbeit transparent und parlamentarisch begleitet auf
diese Zielstellung ausgerichtet wird.
3. Kommunale
Strukturentwicklung effizient und bürgernah
· Kreisstrukturen
im Regionalzuschnitt fördern
In den letzten
Jahren vollzog sich eine immer stärkere Regionalisierung
der Kommunalpolitik. Bis zu einem gewissen Grade konnte diesen
Prozessen durch Regionalversammlungen, Regionalkonferenzen und
Regionalen Entwicklungsplänen entsprochen werden. Jedoch
wurden immer stärker Forderungen nach regionali-sierten Strukturen
laut. Die Diskussion um Regionalkreise hat sich innerhalb der
letzten zwei Jahre erkennbar intensiviert. Damit folgte die Politik
verzögert den gesellschaftlichen Verflechtungs- und Entwicklungsprozessen
insbesondere auch vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung
innerhalb der Europäischen Union. Die Kreise als wichtigstes
Bindeglied zwischen Staat, Kommunen und Bürgern sind in ihren
administrativen Strukturen auf regionale Wirtschaftsräume
auszurichten. Für das Land Sachsen-Anhalt bieten sich dafür
insbesondere fünf Regionalkreise an, die bis auf wenige Ausnahmen
bereits jetzt in Planungsregionen zusammenarbeiten. Anzustreben
wären Kreisstrukturen in den Wirtschaftsregionen Altmark,
Magdeburg, Anhalt, Harz, Halle.
Die Ausrichtung
auf regionale Kreisstrukturen bietet zugleich die Chance, über
einen fairen Vorteils-Lasten-Ausgleich zwischen dem jeweiligen
Oberzentrum und der dazugehörigen Wirtschaftsregion zu einer
wirklich zukunftsfähigen Strategie der Gestaltung von objektiven
Stadt-Umlandkonflikten zu gelangen.
Das bereits
im Jahre 2000 vorgeschlagene Regionalkreismodell für die
Stadt Halle ist derzeit die einzige politische Alternative zu
Zwangseingemeindungen und Pflicht-zweckverbänden. Der Verzicht
auf kreisfreie Städte auf der Grundlage einer ange-messenen
Finanzausstattung ihrer überregionalen Vorhalteleistungen
über das FAG führt letztlich zum Gewinn innerhalb der
gesamten Region.
Jeder Schritt
einer Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform muss zugleich
dazu genutzt werden, um Regionen europäischer Dimension mit
adäquaten, regional ausgerichteten Verwaltungsstrukturen
zu schaffen. Das schließt ein, das Konzept der zentralen
Orte zu hinterfragen und durch ein Konzept der optimalen Verteilung
ober-, mittel- und grundzentraler Funktionen unter raumordnerischen
Aspekten zu ersetzen.
Regionalkreise
befördern nicht nur ganzheitliche regionale Entwicklungsprozesse
und einen effizienten zweistufigen Verwaltungsaufbau, sie haben
auch direkten Einfluss auf die Art und Weise der Entscheidungen
im kreislichen Selbstver-waltungsbereich. Nahezu alle klassischen
kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben der Landkreise werden bereits
durch Kooperationsmodelle verwirklicht. In diesen Modellen sind
die Entscheidungsträger nicht direkt demokratisch legitimiert,
meist wurden die Positionen der Verwaltungen gestärkt, so
dass es insgesamt auch bei diesen Regionalisierungsprozessen zu
Tendenzen der Entdemokratisierung kam. Bei der Bildung von Regionalkreisen
würden sich Kooperationsmodelle weitgehend erübrigen.
Nur in Ausnahmefällen könnten ggf. höhere Kommunalverbände
wirksam werden, sofern dies unter den kommunalen Entscheidungsträgern
gewünscht wird.
· Effiziente
und demokratische Gemeindestrukturen anstreben
Die PDS lässt
sich im gemeindlichen Bereich davon leiten, dass Bürgerinnen
und Bürger insbesondere in und über ihre Orte gesellschaftliche
Entwicklungsprozesse wahrnehmen und am ehesten die Möglichkeit
der Mitgestaltung und Entscheidung haben. Ihre Strukturen sollten
Raum für die Wahrnehmung von Bürgerrechten und Bürgerpflichten
bieten und neu eröffnen, überschaubar sein aber auch
effizient und demokratisch arbeiten.
Die gemeindliche
Verwaltungsstrukturreform von CDU und FDP hat die Defizite im
gemeindlichen Raum nicht beseitigt.
Um bei den
gemeindlichen Strukturen der zunehmenden überörtlichen
Bedeutung einer Vielzahl von Aufgaben zu entsprechen, müssen
wichtige überörtliche Aufgaben der Daseinsvorsorge auch
überörtlich wahrgenommen und entschieden werden. Zum
anderen sind große Verwaltungsgemeinschaften mit mehr als
10 Mitglieds-gemeinden nicht effizient. Sie binden Steuergelder
für aufwändige innere Verwal-tungsvorgänge. Wird
das Modell der Großkreise umgesetzt, kommt es zudem zu größeren
Verwerfungen innerhalb des Landesaufbaus. Die PDS sieht auch unter
demokratischen Aspekten die Einheitsgemeinden im Grundsatz für
erstrebenswert.
II.
Die PDS im
Ringen um die Umsetzung des Konzeptes
Ausgangslage:
Die PDS hält
die oben dargestellte Entwicklung innerhalb Sachsen-Anhalts für
erforderlich. Mittelfristig wird es dazu keine Alternative geben,
dies betrifft in gleichem Maße auch andere Bundesländer,
Mecklenburg-Vorpommern setzt dieses Konzept bereits um, in Sachsen
und Thüringen werden ähnliche Konzepte diskutiert. Auch
Sachsen-Anhalt befindet sich derzeit in einer Strukturreform der
Kreisebene und hätte die große Chance, ebenfalls die
Voraussetzungen für eine tiefgreifende Struktur- und Funktionalreform
zu schaffen. Dies erfolgt nach dem Willen der derzeitigen Landesregierung
jedoch nicht. Wurden am Anfang der Legislatur alle Reformansätze
von SPD und PDS verantwortungslos verworfen und gestoppt, so ist
mit dem Kommunalneugliederungsgrundsätzegesetz die Ausrichtung
der Kreisebene auf Wirtschaftsregionen weitgehend gesetzlich unterbunden.
Nach einem ersten Funktionalgesetz wurde eine Weiterführung
der Funktionalreform lediglich deklariert, jedoch nicht konkretisiert.
Indes gehen die Bestrebungen zur Zentralisation von Aufgaben auf
Landesebene weiter. Alle Versuche der Opposition, die sich gegenwärtig
bietende Chance für einen tiefgreifenden und komplexen Reformansatz
zu nutzen, schlugen fehl. Es ist erklärtes Ziel der derzeitigen
Regierung, am dreistufigen Verwaltungsaufbau festzuhalten und
bei den Kreisen in der über-wiegenden Zahl keinen Regionalzuschnitt
anzustreben. Für eine weitere umfassende Funktionalreform,
sieht die PDS unter diesen Voraussetzungen derzeit objektiv keinen
nennenswerten Handlungsspielraum.
Die PDS steht
vor diesem Hintergrund vor der Frage, inwieweit das für notwendig
erkannte Reformkonzept auch verantwortungsbewusst umgesetzt werden
kann:
1. In der
kommenden Legislaturperiode wird die PDS den Schwerpunkt ihrer
Arbeit insbesondere auch über ihre kommunalen MandatsträgerInnen
auf die Demokra-tisierung und Effizienzsteigerung auf der kommunalen
Ebene legen. Dazu ist das Konzept der Bürgerkommune flächendeckend
zu diskutieren und Schritte der Umsetzung auf allen Ebenen zu
beschließen. Im Rahmen der Diskussionen und Beschlussfassungen
zur Kreisgebietsreform drängen die kommunalen Mandats-trägerInnen
darauf, eine kommunale Politikreform in Richtung Bürgerkommune
in die Reformziele aufzunehmen. Landesseitig ist eine Beschlussfassung
zur Unter-stützung einer kommunalen Politikreform durch die
PDS zu initiieren. Die Heraus-bildung von Bürgerkommunen
ist als Gemeinschaftsaufgabe des Landes Sachsen-Anhalt und seiner
Kommunen zu verwirklichen.
2. Die PDS
wird auch weiterhin darum kämpfen, dass die derzeit gesetzlich
gere-gelten Obergrenzenregelungen für Kreisstrukturen entfallen.
Diese in der Bundes-republik einmaligen Restriktionen behindern
die Ausrichtung auf Wirtschafts-räume und machen den Übergang
zur Zweistufigkeit unmöglich. Die PDS wird sich dafür
einsetzen, dass Bestrebungen aus dem kreislichen Bereich zur Bildung
von Großkreisen landesseitig umfassend gefördert werden.
Sofern die PDS nach den Wahlen in Regierungsverantwortung treten
sollte, trifft dies insbesondere auch für die dann umzusetzende
Kreisgebietsreform der jetzigen Landes-regierung zu. Der Zeitkorridor
für die Umsetzung der Kreisstrukturen wird dann bis 2009
gestreckt. Nehmen Kreise die Regionalstruktur vorzeitig ein, können
diese auf Wunsch bereits einzelne Landesaufgaben übernehmen
und als Modell-kreise fungieren. Somit kann eine schrittweise
Umsetzung der Struktur- und Funktionalreform erfolgen. Der gegenwärtig
laufenden Diskussion und Beschluss-fassung zur Kreisgebietsreform
kann und wird sich die PDS nicht verschließen. Sie wird
sich jedoch dafür einsetzen, dass der Weg in Richtung Regionalkreise
so weit wie möglich für einen späteren Zeitpunkt
offen bleibt.
3. Die PDS
wird sich dafür einsetzen, dass gemeindliche Aufgaben von
überörtlicher Bedeutung (z.B. Kinderbetreuung, Brandschutz,
Flächennutzungsplanung, Grundschulen) im Interesse von Bürgerinnen
und Bürgern auch überörtlich entschieden werden.
Dies kann durch die freiwillige Abgabe der Entschei-dungshoheit
durch alle Gemeinden in den Gemeinschaftsausschuss erfolgen. Besteht
der Wunsch das Verwaltungsgemeinschaftsmodell beizubehalten, so
bildet diese Aufgabenübertragung dafür die Voraussetzung.
Die Anzahl der Mitgliedsgemeinden innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft
ist zeitnah zur Kreisstrukturreform durch Zusammenschlüsse
von Kleinstgemeinden deutlich zu reduzieren. Eine Verwaltungsgemeinschaft
soll nicht mehr als 10 Mitglieds-gemeinden haben. Die Fortentwicklung
von Verwaltungsgemeinschaften in Einheitsgemeinden ist ein weitergehender
Schritt , der sich bei einer großen Anzahl von Verwaltungsgemeinschaften
anbietet und auch ohne staatlichen Zwang eingeleitet werden kann.
4. Die PDS
geht davon aus, dass die oben skizzierte Weiterführung der
Funktional-, Verwaltungs- und kommunalen Strukturreform in ihren
Grundzügen bis spätes-tens 2011 abgeschlossen werden
kann. Sie wird sich bemühen, dafür mehr öffentliche
Akzeptanz und die notwendigen politischen Mehrheiten zu schaffen.
Der Parteitag spricht sich dafür aus, dass die gemeinsame
Arbeitsgruppe von Landesvorstand und Landtagsfraktion ihre Arbeit
langfristig fortsetzt. Im Landes-wahlprogramm sind Schwerpunkte
des Konzeptes aufzunehmen. Die Kreisvor-stände der PDS sollten
ihre kommunalpolitische Arbeit auf der Grundlage des Konzeptes
gestalten und an der weiteren Präzisierung mitarbeiten.
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